Archiv für den Monat: März 2014

Geschäftsmodell im Schatten der Justiz

Die Deutsche Bank klagte vor ca. 1,5 Jahren gegen Sri Lanka. Die Bank war dort ein Schiffswrack  , Zakynthoskomplexes Finanzgeschäft mit einer staatlichen Firma eingegangen, es ging um Ölpreise. Leider kam die Firma ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nach, deshalb verklagte die Bank die Regierung von Sri Lanka. Ein spezielles Schiedsgericht sprach ihr 60 Millionen Dollar zu. Grösste Profiteure dabei – spezialisierte Anwälte, die in diesem System grosse Profite einfahren.

Die Grundlage des Geschäftsmodells
In diesem Geschäftsmodell führt man als Anwalt Prozesse und ist ein Teil von speziellen Gerichtsverfahren. Grundlage dieser Gerichtsverfahren sind sogenannte Investitionsschutzabkommen zwischen den verschiedensten Staaten der Welt. Es gibt rund 3.000 solcher Abkommen. In diesen Verträgen verpflichten sich die Regierungen, die Urteilssprüche des Schiedsgerichts anzuerkennen. Das Schiedsgericht ist das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten ( ICSID ). Vor diesem Gericht können Unternehmen gegen ausländische Staaten klagen. Das tun diese Unternehmen dann, wenn sie der Meinung sind, diese Länder hätten auf unfaire Weise den Wert ihrer Investitionen geschmälert, ohne sie dafür zu entschädigen.

Jetzt kommt es. Vor diesem Schiedsgericht ist ein Staat der Beklagte, nicht der Kläger. Er kann nur Geld verlieren, nicht gewinnen. Jeder Kanzler,  jeder Premierminister,  jeder Präsident muss sich dem Urteil des ICSID beugen. So steht es in den Verträgen. Wenn das mal keine Grundlage ist.

Die Kunden
Auf der einen Seite sind es die Grossunternehmen/Konzerne, auf der anderen Seite die Regierungen der Länder. Ein Beispiel: Der schwedische Stromkonzern Vattenfall gegen die Deutsche Bundesrepublik. Streitpunkt: der deutsche Atomausstieg. Nach Fukushima musste der schwedische Energiekonzern die von ihm betriebenen Kernkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel schliessen. Vattenfall verklagt die BRD vor dem ICSID auf Schadensersatz in Höhe von mehr als vier Milliarden Euro.

Der Nutzen für die Unternehmen/Regierung
Diese spezialisierte Kanzleien holen „entgangene“ Gewinne von den Staaten für ihre Kunden. Manche Kanzleien minimieren die Risiken für die Unternehmen eines Prozesses indem sie diese vorfinanzieren. ICSID-Klagen sind teuer. Die Anwälte verlangen oft Stundensätze von 700 Dollar und mehr. Da es allein Monate dauern kann, die Klageschrift zu formulieren und einzureichen, kommen schnell mehrstellige Millionenbeträge zusammen. Das ist manchen Unternehmen zu viel. Diesen Unternehmen wird angeboten, das Verfahren zu finanzieren. Die Regierung profitieren nie, sie können maximal Forderungen abwenden.

Erträge der Kanzlei
Wird die Klage vor dem ICSID abgelehnt, hat die Kanzlei Pech gehabt. Gewinnt das Unternehmen, kassiert die Kanzlei bis zu achtzig Prozent der Entschädigungszahlung der beklagten Regierung. Da lässt sich schon mit einem Verfahren richtig Geld verdienen.

Einige Beispiel dazu:

  • US Ölmulti Oxy gegen Ecuador: Oxy erhält 1,77 Milliarden Dollar
  • Bergbaukonzern Lone Pine gegen Kanada: Schadesersatzforderung 250 Millionen Dollar.
  • Chinesische Lebensversicherer Ping An gegen das Königreich Belgien: Streitwert 1,8 Milliarden Euro.
  • Tabakkonzern Philip Morris klagt gegen Australien auf Zahlung einer noch nicht exakt bezifferten Summe von mehreren Milliarden Dollar.

Die Schlüsselaufgabe der Kanzlei
Aufsetzen und Einreichen von Klageschriften und Prozesse am ICSID führen.

Die Kosten der Kanzlei
Der Hauptposten der Kosten sind die Personalkosten der Anwälte.

Schlüsselressourcen
Ein Kernteam mit Spezialwissen. Selvyn Seidel, ein Anwalt, der sich auf solche Gerichtsprozesse spezialisiert hat, arbeitet mit 3 Angestellten. Je nach Fall werden fehlende Expertisen einkauft. Darüber hinaus gibt es international tätige Anwaltskanzleien wie Luther  die viele Kompetenzen bereits im Haus haben.

Partner
Da man als kleine Kanzlei nicht für alle Fälle das Knowhow im eigenen Hause haben muss, kauft man sich das dazu. Zu den Partnern zählen unterschiedliche Experten, juristische Fachleute, Rechtsanwälte und weitere Rechtsanwaltskanzleien.

Ganz wichtig auch das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten. Es befindet sich in einem Granit- und Marmorgebäude im Zentrum von Washington, nicht weit entfernt vom Weissen Haus.
Die Unterschiede zu einem üblichen Schiedsgericht sind:

  1.  Die Richter sind weder Beamte noch Angestellte dieses Gerichts. Sie sind juristische Fachleute aus vielen verschiedenen Ländern. Sie werden von den Streitparteien für das jeweilige Verfahren berufen und kommen zur Verhandlung in einem der Räume des Schiedsgerichtes zusammen.
  2. Die Verhandlungen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Fazit
Ich mag dieses Geschäftsmodell nicht. Der Schweizer Schiedsgerichtsanwalt Nicolas Ulmer brachte es für mich auf den Punkt: „Da gibt es Leute, die machen viel Geld damit, dass sie Länder verklagen, die die Umwelt oder ihre Bürger schützen wollen“.

Ergänzungen
3. Juni 2014
Zigarettenhersteller Philip Morris verklagt Uruguay auf Schadenersatz

14. Juli 2014
Helfen im Kampf gegen Philip Morris

15. Oktober 2014
Vattenfall fordert 4,7 Milliarden Euro von Deutschland

31. Oktober 2014
Die Schattenjustiz der Konzerne – in 180 Sekunden erklärt
Dank an blog.campact.de

27. Oktober 2015
ARD – Die Story im Ersten: Konzerne klagen – Wir zahlen – private Schiedsgerichte

Quellen:
Schattenjustiz: Im Namen des Geldes
Kerstin Kohlenberg

Spezialisierte Anwaltskanzlei
Selvyn Seidel, Gründer und Vorsitzender der Fulbrook Capital Management, LLC

ICSID
Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten